Angedacht
Die Lampe Gottes war noch nicht verloschen.
1Sam 3,3
Im ersten Buch Samuel stolpere ich über diesen Satz. Und ich merke, wie in mir ganz viele Fragezeichen aufploppen. Was ist das für eine Lampe? Wann ist sie erloschen? Oder brennt sie inzwischen wieder?
Ich stelle mir so eine Nachttischlampe vor wie bei meiner Oma. Mit Fransen und so einem Faden zum daran Ziehen, auf einem Deckchen, damit es auch ordentlich aussieht. Oder eine Salzlampe, die so ein schönes gedämpftes Licht verbreitet. Aber nein, wir sind 1000 Jahre vor Christus, da war wahrscheinlich eher ein Tonlämpchen mit Öl oder Fett verbreitet.
Unabhängig vom Stil der Inneneinrichtung war das eine herausfordernde Zeit. Es „war des Herrn Wort selten, und es gab kaum noch Offenbarung.“ Man könnte auch sagen: Kaum einer wusste noch etwas mit Gott anzufangen. Die wunderbare Rettung aus der Unfreiheit war lange her, im gelobten Land lebte man schon eine ganze Weile und als ganz so gelobt erwies es sich dann scheinbar doch nicht. Zumindest nicht für alle. Deshalb schaute jeder, wo er bleibt. Zum Tempel ging es zu den großen Festen, weil es Tradition war, und man tat, was man halt tat, weil es Tradition war. Danach ging es wieder nach Hause, zurück in den Alltag, und man ließ Gott einen guten Mann sein.
Aber „die Lampe Gottes war noch nicht verloschen.“
An normalen Tagen ist nur noch der alternde Priester Eli am Heiligtum, er und Samuel, sein junger Helferling. Nur noch ein Abglanz früherer Pracht. Die beiden halten die Fahne hoch. Sie tun ihre Pflicht, tun, was man eben schon immer tat. Am Morgen öffnen sie die Tür und warten, dass jemand kommt. Am Abend schließen sie sie wieder. Ab und an bekommt die Lampe neues Öl. Der Docht wird gekürzt. Dann wieder Warten. Vielleicht überlegen sie schon mal, wie sie die Feierlichkeiten zum nächsten Erntefest ausgestalten wollen. Ist ja nicht mehr lange hin. Diesmal vielleicht Thema „Traube“, das hatten sie länger nicht?
Aber „die Lampe Gottes war noch nicht verloschen.“
Doch eines Nachts passiert etwas, das ist anders, neu. Und es verändert alles. Als Eli mitten in der Tiefschlafphase ist, huscht Samuel an sein Bett und sagt: „Hier bin ich!“ Das ist die höfliche Variante von „Was ist los? Warum weckst du mich mitten in der Nacht?“ Der Junge ist verwirrt, Eli ebenso. Sie gehen wieder schlafen. Und wieder taucht Samuel an Elis Bett auf, noch zwei Mal. Jedes Mal glaubt er, dass der alte Priester ihn gerufen habe. Aber so war es nicht.
Sondern „die Lampe Gottes war noch nicht verloschen.“
Und Samuel sagt entsprechend der Anweisung des erfahrenen Eli: „Rede, Herr, ich höre dich!“ Mit diesen Worten beginnt etwas Neues.
Dreitausend Jahre ist das her. Die Zeit ist nicht weniger herausfordernd als damals. Darauf können wir uns sicher einigen. Vieles, was selbstverständlich war, ist abgenutzt und funktioniert nicht mehr.
Aber die Lampe Gottes ist nicht verloschen.
Das sage ich jetzt einfach so. Und ich hoffe darauf angesichts all der Herausforderungen, vor denen wir stehen. Licht steht für das Leben selbst, den Neuanfang. Es schützt und reinigt. Im Bewusstsein dieses Neuanfangs ist Jesus mit den Menschen umgegangen, die ihm begegneten. Er war für sie das Licht dieser Welt und hat ihnen zugetraut, ebenfalls ein Teil dieses Lichts zu sein.
Wahrscheinlich ist jede Zeit immer auf ihre Art herausfordernd. Und wir haben nun mal nur die, in die wir gestellt sind. Vielleicht ist dies wieder eine Zeit, in der des Herrn Wort selten ist und Offenbarung fehlt. Doch auch in diese Zeit scheint das Licht der Welt. Wenn wir es zu uns sprechen lassen, hinein in die Dunkelheit unserer Fragen, Ängste und Entscheidungen, dann beginnt etwas Neues.
Ihre Pfarrerin Maximiliane Rehm
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
„Buen Camino“ – das ist ein Gruß, den ich in der Zeit vor und nach Ostern so oft gehört habe wie noch nie in meinem Leben. Der Gruß ist spanisch und heißt „(Ich wünsche dir einen) Guten Weg!“. Wer in Spanien auf einem der zahlreichen Jakobswege unterwegs ist, sagt diese Worte wohl häufiger als sonst „Bitte“ und „Danke“.
Ich war auf dem Jakobsweg, vier Wochen. Ich habe mich selbst gesucht und gehofft, dass Gott mich neu findet. Einen ausführlichen Bericht dazu lesen Sie hier. Wann findet man sich selbst oder wird gefunden? Die Antwort ist einfach: Wenn du losgehst. Beim Jakobsweg ist es einfacher, als man denkt. Am Camino Frances, dem meistgenutzten, sogenannten „Französischen Jakobsweg“, liegen aller 5-10 km Herbergen. Der Weg ist sehr gut beschildert. Im Vorhinein muss man lediglich eine Ausrüstung organisieren (es gibt Packlisten im Internet) und das Budget berechnen (man plant etwa 60€ pro Tag für Unterkunft, Verpflegung und etwas Kultur).
Wer losgeht, erlernt bald einen Lebensrhythmus jenseits eines überfüllten Alltags. Das, was sich über Jahre auf die Seele gelegt hat an Last und Hast, Überforderung und Stress, Betriebsamkeit und Zerstreuung, bröckelt beim Gehen langsam ab. Es geht nicht von heute auf morgen. Aber allein zu sein, zusammen mit sich selbst, offen für das Wirken des Heiligen Geistes im eigenen Seelengarten, mit selbst erarbeiteten Schmerzen am Fuß und den Erfolgen einer gelungenen Etappe, das wirkt heilsam.
Aus der Sicht eines pilgernden Menschen sieht das Leben zu Hause anders aus: Ich sehe, was überflüssig ist, und ich sehe, was ich nicht aufgeben werde, weil es zu meinem Kern gehört. Die Adlerperspektive auf das eigene Leben über eins, zwei, drei Wochen ist heilsam, denn aller Wahrscheinlichkeit nach ist zu erkennen: Um ich selbst zu sein, brauche ich viel weniger, als ich meinte zu brauchen.
Nimm frei! Es muss nicht gleich der Französische Jakobsweg sein; in Sachsen kann man auf dem Ökumenischen Pilgerweg „Via Regia“ von Görlitz über Bautzen, Königsbrück und Leipzig weiter Richtung Santiago pilgern. Einige Tage mit sich allein können dafür sorgen, dass der Lebensweg nach dem Camino besser wird als zuvor.
„Buen Camino“, ob im Alltag oder in der Auszeit
wünscht Euch und Ihnen Pfarrer Stephan Rehm
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die neuen Kirchennachrichten sind da. Und vielleicht stutzen Sie auch und denken: Ach, schon März bis Mai? Es war doch gerade erst … Weihnachten, Silvester, Neujahr, Fasching…. Schneeglätte, Busstreik, Vorabi … Krankenhausbesuch, Geburtstag, Trauerfeier, Jubiläum…. Sicher könnten Sie die Aufzählung auch noch fortsetzen. Dabei hat es doch gerade erst begonnen, das Jahr 2024. Kann da schon so viel passiert sein? Wie die Zeit rennt!
Den Bibelkundigen fällt jetzt der Prediger Salomo ein: „Alles hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde…“. Zeit – time – temps – tempus. Zwischen Millisekunde und Jahrhunderten. Was spüren Sie gerade am meisten? Dass die Tage länger werden, morgens und abends, und man länger wach bleibt? Dass die Konfirmation näher rückt und noch so viel (einschließlich Traumkleid und -schuhe) vorzubereiten ist? Oder dehnt sich Ihre Zeit, weil Sie warten: auf den Befund beim Arzt, auf das Baby, auf Besuch?
Zeit ist komisch. Man sieht und hört sie nicht, trotzdem ist sie immer da. Wie man damit umgeht, bleibt jedem selbst überlassen – dem einen macht ein voller Terminkalender nichts aus, ein anderer freut sich am Montag schon aufs Wochenende. Dass unsere Lebenszeit von Gott geschenkt ist, dieser Gedanke schleicht sich ein, je mehr man erlebt hat. Die letzte Konsequenz der Zeit – ist der Tod. Wir haben eben nicht alle Zeit der Welt…
Aber zum Glück haben wir einen Gott, der die Kompetenz der Ewigkeit hat und trotzdem Mensch wurde in unserer Welt und Zeit: „ Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn“ (Gal 4,4). Egal, wie die Zeit rennt oder bummelt, wir sind begleitet und umgeben vom Herrn über Zeit und Ewigkeit – deshalb feiern wir ja Ostern, oder?! Ja sicher, unsere Zeit hat klare Grenzen, aber unseren Gott schränkt keine Zeitgrenze ein, er hat die Freiheit der Ewigkeit. „… hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel…“. Das gibt auch unserem Leben, unserer Zeit eine neue Qualität.
Was fangen wir mit der Zeit an, die vor uns liegt, März, April, Mai? Lassen Sie uns Qualitätszeit gestalten, – also nicht nur: mehr erleben, mehr schaffen, mehr… Vielleicht sind Sie dieses Jahr dabei, wenn zum Weltgebetstag für Frieden gebetet wird? Oder Sie nehmen sich Zeit für den Konfirmanden von gegenüber, und begleiten ihn mal zum Gottesdienst? Oder es bleibt doch mal Zeit, um miteinander zu reden (und aufeinander zu hören)?
Egal wofür Sie sich entscheiden, bleiben Sie behütet. Und ich wünsche uns, dass wir mit Paul Gerhardt zu Ostern jubeln können (EG 112):
Auf, auf mein Herz mit Freuden, nimm wahr,
was heut geschieht…Mein Heiland war gelegt da, wo man uns hinträgt…
Ich hang und bleib auch hangen
an Christus als ein Glied.
Wo mein Haupt durch ist ´gangen,
da nimmt er mich auch mit.
Er reißet durch den Tod,
durch Welt, durch Sünd´, durch Not,
er reißet durch die Höll´, ich bin stets sein Gesell.
In diesem Sinn: allen eine gute, gesegnete, von Gott erfüllte und begleitete Jahres-Zeit.
Ihre Annegret Firl
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in dieser Ausgabe liegen Ihnen erstmals drei Monate kirchgemeindlichen Lebens zum Ausblick in den Händen. Die Zeit zwischen der adventlichen und der österlichen Fastenzeit bringt dieses Heft unter einen Bogen. Bevor das neue Jahr beginnt, erstrahlen unsere Kirchen, Gemeindehäuser und Wohnungen im weihnachtlichen Glanz, wie umseitig die Ebersbacher Kirche. Wir freuen uns auf die festlichen Höhepunkte, insbesondere das Weihnachtsfest, aber auch die Allianzgebetswoche im Januar mit festlichem Abschlussgottesdienst und im Februar, für alle, die es betrifft, das Konficastle auf Burg Hohnstein. Drei weitere Hefte werden im Jahr 2024 folgen, bis wir im November 2024 im Hinblick auf das übernächste Weihnachtsfest schreiben.
Gleichzeitig mit unserem Blick auf das neue Jahr stehen wir seit dem 7. Oktober 2023 stärker noch als im Februar 2022 unter dem Eindruck eines neuen Krieges, der nicht nur westliche Werte und einen demokratischen Staat angreift, sondern der uns als Christenheit der Welt die Axt an die Wurzel legt: Wenn es zutrifft, wie Paulus schreibt, dass wir als christliche Gemeinden in den Ölbaum des Judentums eingepropft sind, dann gilt die Bedrohung Israels auch uns:
„17 Wenn nun einige von den Zweigen ausgebrochen wurden, du aber, der du ein wilder Ölzweig bist, in den Ölbaum eingepfropft wurdest und Anteil bekommen hast an der Wurzel und dem Saft des Ölbaums, 18 so rühme dich nicht gegenüber den Zweigen. Rühmst du dich aber, so sollst du wissen: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ (Röm 11,17-18).
„Die Wurzel trägt dich“: Das bedeutet, wir können die Angriffe auf den Staat Israel und die Angehörigen des Judentums in unserem Land nicht abtun, als beträfen sie uns nicht. Es ist nicht möglich, nicht mitzufühlen mit den Opfern des Terrorakts vom 7. Oktober 2023 und mit ihren Familien. Es ist auch nicht möglich, nicht mitzufühlen mit den Tausenden Bewohnern des Gazastreifens, die als gesamte Gesellschaft von der Hamas in Geiselhaft genommen worden sind. Als menschliches Schutzschild missbraucht, liegt das Leid der Getöteten wieder einmal jenseits dessen, was zu ertragen ist. Jetzt ist die Zeit, Partei zu ergreifen für die demokratischen Kräfte in Israel und im Nahen Osten, für alle, die im Nahen Osten und auf der ganzen Welt im Frieden leben wollen, für alle, die an Informationen mit hohem Wahrheitsgehalt interessiert sind, Nachrichten kritisch lesen und Fake-News nicht verbreiten, für alle, die den Gott der Juden anbeten oder einen anderen Gott, ohne für diesen Gott zu den Waffen zu greifen. Was seit dem 7. Oktober 2023 nicht mehr geht, ist neutral zu sein, denn das bedeutet, sich in bequemer Gleichgültigkeit einzurichten. Wir in Deutschland können zwar nur mittelbar reagieren und agieren, aber wir können und wollen den Frieden vor unserer Haustür suchen und ein kategorisches Nein aussprechen, wenn unsere Vorgänger im Glauben angegriffen werden.
Den Frieden vor unserer Haustür erhalten, das bedeutet auch, das Leben engagiert zu gestalten. So hoffen wir, auch mit unseren kirchgemeindlichen Veranstaltungen zum Frieden beizutragen; hebräisch: Schalom.
Pfarrer Stephan Rehm
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Der Dreiklang des Lebens
Eine ganz besondere Orchideenart entdeckte ich bei Familie Thomas in Schönbach. Sie sehen die Blüte auf der Vorderseite dieser neuen Ausgabe der Kirchennachrichten. Die Blüte besteht aus drei einzelnen Blütenteilen und das will ich heute als Anlass nehmen, um über den Dreiklang des Lebens zu schreiben.
Ich denke zum Beispiel an die drei Grundfarben Rot, Gelb, Blau oder an Länge, Breite und Höhe oder an Leib, Seele und Geist oder an Vater, Mutter, Kind oder an Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag. Die Zahl Drei begegnet uns im Alltag sehr oft. Sie ist der „Dreiklang des Lebens“.
Ein wunderbarer Hinweis ist die Orchideenblüte auch auf Gott. Es ist EINE Blüte, die aus DREI Teilen besteht.
Gemeinsam mit dem Volk Israel glauben wir an den EINEN Gott, der sich Mose unter dem Namen „Jahwe“ offenbart hat. Übersetzt ins Deutsche bedeutet der Name Gottes „Ich bin da.“ oder „Ich bin, der ich bin.“ Weil die Juden aus Ehrfurcht den Namen Jahwe nicht aussprechen, sondern dafür „HERR“ sagen, hat auch Martin Luther dies so in seiner Bibelübersetzung übernommen. Überall dort, wo in einer Lutherbibel HERR mit großen Buchstaben gedruckt steht, findet man im hebräischen Urtext den Gottesnamen Jahwe.
Dieser eine Gott begegnet uns in dreifacher Person: Gott, der Vater hat die Welt und jeden von uns kunstvoll und wunderbar geschaffen. Gott, der Sohn Jesus Christus hat am Kreuz die ewige Erlösung von aller Schuld vollbracht. Der Vater hat ihn aus dem Tod auferweckt. Jesus lebt und sitzt an der rechten Seite des Vaters. Gott, der Heilige Geist wirkt hier auf Erden. Er schenkt Menschen Glaube, Hoffnung und Liebe. Er führt uns zu seiner Gemeinde zusammen. Er schenkt Freude am Lesen der Bibel. Er hilft beten.
Wichtig ist, dass wir uns nicht in dem Irrglauben verfangen, Christen würden an drei Götter glauben. Nein: es ist EIN lebendiger Gott. Wir sind angeschlossen an das Glaubensbekenntnis Israels:
„Höre Israel, der HERR ist unser Gott,
der HERR ist einer.“
(5. Mose 6,4)
Daran will uns immer wieder die wunderbare Blüte der Erdorchidee erinnern. Und wer keine in der Stube stehen hat, dem erzählt dies genauso das nächste dreiblättrige Kleeblatt, das Sie erblicken.
Es segne dich Gott, der Schöpfer.
Er sei der Raum, in dem du lebst.
Es segne dich Jesus Christus, der Sohn.
Er sei der Weg, auf dem du gehst.
Es segne dich Gott, der Heilige Geist.
Er sei das Licht, das dich zur Wahrheit führt.
Amen.
Pfarrerin Karin Baudach
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
„Frei wie ein Vogel ...“ So lautete das Motto des Gottesdienstes zum Schuljahresende am Christian-Weise-Gymnasium Zittau. Manche Schülerinnen und Schüler fühlen sich tatsächlich frei. Kein zeitiges Aufstehen, keine Tests und Klausuren, kein Zeitdruck. Das passt an diesem Wochenende, an dem die Ferien beginnen. Frei wie ein Vogel fühlen sich alle, die die Schulzeit ganz beendet haben.
Dachte ich jedenfalls. Doch dann sagen mir die Absolventen, dass diese Freiheit eher Ängste und Unsicherheit bedeutet. Nicht alle haben schon einen Ausbildungsplatz, den Studienplatz oder eine Stelle für ein Freiwilligenjahr sicher. Manche haben noch keinen Plan, wie es weitergeht. Und die, die es wissen, stehen vor der Herausforderung, das gewohnte Umfeld zu verlassen.
Vielleicht erinnern Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich zurück an diesen Lebensabschnitt. Waren Sie voller Pläne und Träume? Oder auch eher unsicher und auf der Suche? Wie gut, dass Gott auch in diesen Zeiten bei uns ist. Der Apostel Paulus schrieb an die Philipper:
„Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!“ (Phil 4,6)
Darauf vertrauend können wir zu Gott sprechen: „Zeige Du ihnen den richtigen Weg und schenke ihnen Menschen an ihrer Seite, die für sie da sind und ihnen helfen, gute Entscheidungen zu treffen.“ Und wir können das nicht nur für diejenigen sagen, die nun die Schule beendet haben und sich im September in einem neuen Lebensabschnitt wiederfinden. Den guten Weg in allen (Urlaub-)
Situation zu finden, die Freiheit bieten (und Unsicherheit), wünschen wir auch uns und Ihnen in diesem Sommer.
Peggy Göring, Schulbeauftragte im Kirchenbezirk
Löbau-Zittau
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
im Dialog mit meiner Mitvikarin Marei Glüer, die jetzt Pastorin in der Nordkirche ist, entspannen sich folgende Gedanken über ein Bibelwort aus dem 16. Kapitel des Johannesevangeliums:
Ihr habt nun Traurigkeit;
aber ich will euch wiedersehen,
und euer Herz soll sich freuen,
und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
Joh 16,22
Dieses Bibelwort passt gut in die weltweite Situation der Christenheit: Jesus, an den wir glauben, er ist nicht mehr leiblich in unserer Welt. Himmelfahrt haben wir als ambivalentes Fest gefeiert: Zum einen traurig, da Jesus nicht mehr da ist, zum anderen froh bis triumphal, denn Jesus hat jetzt den Platz eingenommen, der ihm zusteht: Er ist der Herr über dieser Welt und erreichbar für alle Menschen, die beten. Das bekennen wir, aber gleichzeitig regen sich Fragen: Ist es wirklich so? Warum beschäftigt uns immer noch Krieg, Krankheit, Korruption – Dinge, die uns schmerzvoll von Gottes Welt trennen?
Der Himmel, den wir vermissen, provoziert Fragen. Vielleicht sind Fragen aber gar nicht so leer, wie sie sich manchmal anfühlen. Ich stelle mir einen Menschen vor, der in besonderer Weise begabt ist. Die Person hat die besondere Fähigkeit, ehrliche Fragen zu stellen. Wenn sie sagt: „Wie geht es dir?“, dann will sie genau das wissen, und es ist nicht nur eine Formel für Smalltalk. Überhaupt: Diese Person hört mehr zu als sie redet. Und wenn sie was sagt, dann eben oft als Frage: „Meinst du das wirklich so? Welche Geschichte steckt denn dahinter, dass du das so siehst? Was ist der eigentliche Grund, dass du gerade so schimpfst?“ Meine Güte, wie mir das fehlen würde! Jemand, der Fragen stellt, ehrliche Fragen. Fragen, die mich nachdenklich machen. Fragen, die zeigen: Da interessiert sich jemand für mich; das Bild vom Himmel und von mir, das ist noch nicht fertig; und gleichzeitig sind es Fragen, die mich nicht drängeln. Gute Fragen drängeln nicht. Sie geben Raum. Wenn diese Fragen aufhören würden, da würde mir was fehlen.
Meinen Sie auch, Erwachsene fragen wenig, Kinder dagegen viel? Manchmal nervt das, denn es fällt uns schwer, gut zu antworten: „Wie viele Fenster gibt es auf der Welt? Was ist eine Depression? Warum haben Menschen unterschiedliche Hautfarben?“ Auch wenn es manchmal nervt: ich merke, dass ich gern mit Menschen zusammen bin, die Fragen haben. Menschen mit Fragen entwickeln sich selbst und mich gleich mit. Wenn Fragen gestellt werden, haben alle Raum und Zeit, die eigene innere Welt weiterzubauen. Eine fragende Grundhaltung – ich vermisse sie oft, gerade unter Erwachsenen.
Die Jünger fragen auch ganz schön viel, wenigstens im Vorfeld des Trostes aus Joh 16,22: „Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? Wir wissen nicht, was er redet“ (Joh 16,17-18). Wie sympathisch sie mir sind, so fragend. Manche sagen, sie wären begriffsstutzig oder ein bisschen dumm; ich sage: sie haben eine „fragende Grundhaltung“. Sie verstehen nicht komplett, was Jesus redet, also haben sie Fragen.
Jesus weiß das. Jesus weiß: Sie können die himmlischen Dinge nicht vollständig verstehen. Keiner konnte das vor Ostern. Jesus macht auch kein großes Aufheben um ihr Unverständnis; er fängt an zu erklären. Er erklärt, was das heißt: „Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.“ Er erklärt: Trauer und Freude, ja Schmerz und Freude ganz eng zusammengehören. Freude folgt auf Trauer, wie die Freude über ein Kind nach den Schmerzen einer Geburt. Er sagt den Jüngern schon mal Bescheid, dass er sterben wird. Zeitgleich bereitet er sie auf ein Wiedersehen vor. Die Aussicht, wir werden ihn wiedersehen, die soll sie trösten.
Ein Wiedersehen. Wie wird das sein? Jesus sagt: „Euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. An jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.“
Jesus hatte während seiner irdischen Zeit selbst eine fragende Haltung. „Was willst du, dass ich dir tun soll?“, fragt er den Gelähmten vor Jericho (Lk 18,41). „Warum habt ihr solche Angst?“, will er von den Jüngern auf dem Galiläischen Meer wissen (Mt 8,26). „Für wen haltet ihr mich?“, fragt er sie später (Mt 16,15), denn Jesus wollte, dass die innere Welt seiner Gesprächspartner wachsen konnte. Er, der selbst viel fragte, er verweist auf ein freudenvolles Wiedersehen, bei dem keine Fragen mehr offen bleiben.
Aktuell habe ich noch ganz stark das Gefühl: Nur Fragen bringen mich weiter, und andere auch. „What’s your story / Wie geht deine Geschichte?“ Übrigens gibt es keine dummen Fragen, nur dumme Antworten; und ich bin dankbar für jeden, der mehr fragt als behauptet, und für jede, die mehr zuhört als redet. Noch dauert die kleine Weile an, bis wir Jesus wieder sehen. Noch ist es nicht so weit, dass wir keine Fragen mehr haben. Bis es so weit ist, frage ich mich und Sie:
Könnte es sein, dass eine fragende Grundhaltung ein Stück Himmel auf Erden ist?
Heißt Nächstenliebe vielleicht, anderen Menschen Raum und Zeit zu lassen, Fragen nachzugehen und selbst welche zu stellen?
Wie viel näher kommen wir zu Gott, wenn wir von dem fremden anderen Menschen tatsächlich etwas wissen wollen, anstatt ihn nur mit unseren Weisheiten vollzuquatschen?
Haben wir hier in diesem Leben, an diesem Ort und zu dieser Zeit einfach keine bessere Möglichkeit, als uns ehrliche Fragen zu stellen?
Ist das Reich Gottes mitten unter uns, wenn wir aneinander interessiert sind, wenn wir Platz haben in unseren Herzen für die Geschichte eines anderen Lebens?
Wie sehr ersehnen wir trotz all der Fragen eine Zeit, zu der keine Fragen mehr offenbleiben? Wird sich einmal alles von selbst verstehen? Ergibt irgendwann alles einen Sinn? „Ja“, sagt Jesus, denn „an jenem Tag werdet ihr mich nichts fragen.“
Gute Fragen und hilfreiche erfreuliche Antworten im Sommer und im Urlaub (wenn sie auch vorläufig sein sollten) wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Stephan Rehm
Liebe Leser und Leserinnen, Bilder haben Macht. Sie setzen sich fest, bleiben hängen. Und sie lösen etwas aus. Begeisterung z.B. oder auch Entsetzen, Irritation, Sehnsucht oder Hoffnung. Oft ganz unmittelbar. Manchmal aber auch erst nach einiger Zeit. Das geschieht, wenn ein Bild nicht auf Anhieb zu deuten ist, wenn wir erst etwas zum Hintergrund erfahren müssen, um es entschlüsseln zu können, oder auch wenn wir es mit mehreren gegensätzlichen Bildern zu tun bekommen.
Es war kurz vor dem jüdischen Passahfest. Jesus kommt nach Jerusalem, zieht ein in die Stadt Gottes – und die Menschen ziehen ihm entgegen, mit Palmzweigen und Jubelrufen. Und da bietet sich ihnen ein merkwürdiges Bild: Jesus kommt auf einer Eselin daher!
Es gibt andere Bilder, die die Menschen im Kopf haben – die auch wir im Kopf haben – von der Ankunft wichtiger Personen: roter Teppich und Fanfaren, eine bewaffnete Eskorte hoch zu Ross, die den Weg bahnt und dann ein luxuriöses und blank geputztes Fahrzeug, das einrollt … Die römischen Machthaber der damaligen Zeit zogen wohl meist auf einem offenen Wagen stehend ein.
Bilder, die ausdrücken sollen: hier kommt jemand, der Macht hat, der die Zügel fest in der Hand hält, der, dem alle anderen unterstehen und sich zu beugen haben.
In welchem Kontrast dazu steht da das Bild, das sich den Menschen bei der Ankunft Jesu bietet: statt Pferd und Wagen ein Esel! Das Reit- und Lasttier der einfachen Leute. Mithilfe des Esels verrichtet man seine alltäglichen Aufgaben. Auf einem Esel zieht man nicht in den Krieg.
Nicht von Ungefähr hat der Prophet Sacharja einige Jahrhunderte vor Jesu Geburt verheißen, dass einst ein König auf einem Esel reitend in Jerusalem einziehen wird, und dieser König wird Frieden bringen und Gerechtigkeit (denn ein Friede ohne Gerechtigkeit – das wäre ein fauler Friede). Dieser König auf dem Esel – das wird der Friedenskönig sein.
Sicherlich spielt Jesus mit der Wahl seines Reittiers auf diese Verheißung des Sacharja, auf das Bild dieses Friedenskönigs an. Und sicher gab es da so manche, die das auch verstanden und deshalb umso lauter gejubelt haben.
Wie aber kann es sein, dass aus den Jubelrufen wenige Tage später der Ruf „Kreuzige ihn!“ geworden ist? Haben die Menschen dieses Bild Jesu, der auf einem Esel in die Stadt kommt, doch falsch gedeutet? Ist er doch nicht der ersehnte Friedenskönig? Falls sie erwartet haben, dass sich mit Jesu Einzug in Jerusalem der Friede durchsetzen wird, dass die Römer die Waffen strecken und die Vision des Sacharja vom großen weltweiten Friedensreich nun Wirklichkeit wird, dann sind sie wohl tatsächlich enttäuscht worden. Denn wenige Tage später bietet sich ihnen ein neues Bild: ein ohnmächtiger Jesus, den Herrschenden ausgeliefert, selbst von seinen engsten Freunden verlassen. Wie sollte dieser Jesus etwas bewegen und zum Besseren wenden können?
Wer ist denn Jesus nun wirklich? Ein König oder ein Möchtegern oder gar Verbrecher? Der langersehnte Retter oder einfach ein armer Wanderprediger auf einem Esel? Stark oder schwach? Selbst die Jünger scheinen unsicher. Zu widersprüchlich die Bilder, die sie zu sehen bekommen.
Das kommt mir bekannt vor! Denn wir erleben ja um uns herum ganz intensiv, wie schwer die Gegenwart zu deuten ist. Wir erleben unsere eigene Unsicherheit angesichts der Bilder, die wir tagtäglich sehen. Sie sprechen zu uns, sie lösen etwas aus in uns. Aber ziehen wir die richtigen Schlüsse? Wie wird man wohl im Nachhinein in 2,3 Monaten oder gar Jahren, Jahrzehnten auf die Entscheidungen blicken, die heute getroffen werden?
Das Leben wird vorwärts gelebt, aber rückwärts verstanden. so fasst der dänische Philosoph Kierkegaard zusammen. Die Bilder, die Zeichen der Gegenwart richtig zu deuten, ist nicht immer leicht. Oft gelingt das erst im Nachhinein. Und dennoch müssen wir Entscheidungen treffen, Leben gestalten – heute, jetzt.
Was hilft dabei? Wie gelingt das?
Ich denke wieder an Jesu Freunde – daran, was sie in den Tagen rund um die Passion Jesu erlebt haben. An die Bilder, die sich ihnen eingeprägt und die sie später weitergetragen haben. Ich denke daran, wie viele irritierende, verstörende Bilder sie zu Gesicht bekommen haben: Jesus, wie er auf einem Esel in Jerusalem einzieht, die jubelnde Menschenmenge. Die Nähe, die Gemeinschaft mit ihm beim gemeinsamen Abendessen. Und dann – wenig später – ein verzweifelter Jesus im Garten Gethsemane. Ein Jesus, der Spott ertragen muss, der erniedrigt wird und verurteilt, der schwach und wehrlos wirkt. Ein sterbender Jesus.
Aber schließlich auch: Jesus, der Auferstandene …
Jedes einzelne dieser Bilder mag ganz gegensätzliche Emotionen und Deutungen bei ihnen ausgelöst haben. Und unter dem Eindruck dieser Bilder hat so mancher von Jesu Freunden Fehler gemacht. Was mag ihnen geholfen haben, dennoch an Jesus festzuhalten – und die Bilder letztlich richtig zu deuten?
Ich glaube, gelingen konnte das nur, wo sie die einzelnen Bilder nebeneinandergelegt, in einen größeren Zusammenhang gestellt haben. Bis sie erkannt haben: dieser Friedenskönig Jesus – er bringt Frieden auf seine Art. Einen Frieden, der im Herzen seinen Anfang nimmt. Einen Frieden, der mit Vergebung zu tun hat und mit Versöhnung. Einen Frieden, der im Kleinen beginnt, oft unscheinbar bleibt und dennoch weiterwächst – bis er einst münden wird in den großen Frieden Gottes.
Die Jünger Jesu haben die mehrdeutigen, irritierenden Bilder nicht einfach beiseitegeschoben, verdrängt, ausradiert – Gott sei Dank! Sie haben sich an sie erinnert. Haben sie immer wieder hervorgeholt, sie gedreht und gewendet, um sie dann, auf dem Hintergrund neuer Erfahrungen zu deuten – und sich von ihnen bewegen zu lassen. Das möchte ich mir gern von ihnen abschauen. Für den Umgang mit den manchmal widersprüchlichen Bildern Jesu – und auch für den Umgang mit den Bildern unserer Gegenwart.
Ich wünsche uns einen Umgang mit den Bildern der Passions- und Ostertage, der inspiriert und ermutigt!
Ihre Constance Šimonovská
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
vielleicht ist Ihr Blick an dem Bild auf dieser Seite hängen geblieben? Eine Kirche ist zu sehen, aber nur noch als Ruine. Ein Teil des Chores steht noch, mit Altar und Kruzifix. Dieser Fluchtpunkt wird gerahmt von Säulen, die einst das Dach trugen. Nun wölbt sich der freie Himmel darüber. Zwei Personen sind links vor einer Säule zu sehen. Ihr Blick scheint auf den Altarraum gerichtet. Sie wirken winzig inmitten der Weite des Kirchenraumes.
Dieses Bild hat der Künstler Caspar David Friedrich im Jahre 1815 gefertigt. Dabei wurde er von der Jacobikirche im pommerschen Greifswald inspiriert. Es zeigt die Vision einer Kirche, die nicht mehr zu leben scheint. Sie steht nur noch wie ein Mahnmal. Man kann sich vorstellen, wie einst viele Menschen ein und aus gingen, wie an hohen Feiertagen alles festlich geschmückt war, um Ostern, Weihnachten, Taufen und Konfirmationen zu feiern.
Doch jetzt: Auf der Kanzel findet sich kein Prediger mehr, der das Wort von der Versöhnung weitersagt. Am Altar ist kein Priester mehr, der den Tisch des Herrn deckt. Kein Kind wird über den Taufstein gehalten. Da sind keine Bänke, in denen Menschen sitzen, alte oder junge, fröhliche oder verzweifelte. Die Natur hat wieder Besitz ergriffen vom Bau.
Die Jacobigemeinde war unsere Wohnortgemeinde, als mein Mann und ich in Greifswald studierten. Wenn man die Kirche kennt und dann das Bild zu Gesicht bekommt, ist man irritiert: Die Kirche befand sich nie in diesem Zustand, sie war nie eine Ruine. Lediglich der Turm brannte einmal in den sechziger Jahren, als die Stasi gegen die Junge Gemeinde im Turmzimmer vorging.
Was brachte Caspar David Friedrich dazu, diese Kirche so zerstört zu zeigen? Lag es daran, dass es die Zeit der Romantik war, in der man gern Ruinen malte? Oder hatte der Künstler bereits eine Ahnung davon, welche Abbrüche die Kirche im 19. Jahrhundert und bis heute erleben würde?
In der Zeichnung ist an zwei Stellen etwas Unversehrtes zu erkennen: der von der Decke des Gewölbes herabhängende Christus und die beiden Menschen links vorn am Beginn des Chorbereiches. Der Gekreuzigte war einst der optische und inhaltliche Mittelpunkt des Gotteshauses. Noch jetzt laufen in ihm die Linien zusammen. Es gibt kein deutendes Wort mehr, das auf ihn hinweist, kein Brot und Wein, das ihn vergegenwärtigt. Aber dennoch berührt mich in der herabhängenden, immer noch im Zentrum hängenden Gestalt nicht nur das Vergangene, sondern das Dasein Gottes im Jetzt und seine Verheißung für das, was kommt.
Die beiden Menschen sind vielleicht eher zufällig in die Kirchenruine hineingeraten. Aber wie gebannt hängt ihr Blick nun ebenfalls am Gekreuzigten. Sie wenden sich nicht dem zerstörten Raum zu, sondern diesem Zentrum. Vielleicht fragen die beiden, die all das nicht mehr selbstverständlich gelernt haben, wer denn das ist, der da hängt. Vielleicht stellen sich bei ihnen Erinnerungen ein, längst versunkene Erzählfetzen, fremd klingende Worte.
Ich fühle die Angst vor dem Unbekannten mit, die viele von uns im Herzen tragen. Wie wird es werden in unserer Kirche angesichts der Veränderungen, die uns immer stärker treffen? Es ist nicht die Rede davon, Kirchen aufzugeben. Aber es wird doch manches Liebgewonnene abbrechen, manche Tradition, manche Aufgabe wegfallen, zusammen mit den Menschen, die sie mit Leben gefüllt haben.
Doch ich vertraue darauf, dass die beiden wesentlichen Elemente dieses Bildes bleiben: Jesus Christus, der zu uns herabkommt - mitten in all das, was endlich und vergänglich ist - und Menschen, die nach ihm suchen, nach ihm fragen, ihm begegnen. Wo das geschieht, dort lebt die Kirche. Vielleicht ist sie anders, als wir es uns jetzt vorstellen können. Aber sie ist Kirche unseres Herrn Jesus Christus.
Ihre Pfarrerin Maximiliane Rehm
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
was sehen Sie auf dem Titelbild? Unverkennbar sind es einzelne Buchstaben und Sie werden schon erraten haben, dass sie sich zu sinnvollen Wörtern zusammensetzen lassen. Man muss es nur sehen. Das ist generell ein beliebtes Spiel, oft wird es als Buchstabensalat bezeichnet. Es ist wie bei vielen Rätseln: Eigentlich liegt die Lösung vor mir und manchmal schlage ich mir die Hand an die Stirn und denke: Warum bist du nicht gleich darauf gekommen? Wer es noch nicht raus hat und noch einmal rätseln möchte: Jetzt ist die letzte Gelegenheit. Denn nun kommt die Auflösung: Es ist die Jahreslosung aus dem 1. Buch Mose 16,13, die uns 2023 begleiten wird. Hagar sagt diesen Satz, sie ist nach einem Streit mit ihrer Herrin Sarai in die Wüste geflohen. Schwanger und ohne eine Idee, wo sie sich hinwenden könnte. Sie ist ein Flüchtling, weit weg von zu Hause, ohne Familie, ohne Besitz und ohne eine Perspektive. Ihr Leben liegt in Bruchstücken vor ihr, ist so durcheinander, wie die einzelnen Buchstaben eines Wortes, die in der falschen Reihenfolge keinen Sinn mehr ergeben. Hagar kann nicht mehr sehen, wo es hingehen soll. Sie kann die Bruchstücke ihres Lebens nicht mehr zusammensetzen. So sitzt sie an einer Quelle in der Wüste, als der Engel Gottes sie findet. Er sagt ihr: Geh zurück. Du wirst einen Sohn zur Welt bringen und zahlreiche Nachkommen haben. Gott hat dein Elend erhört. Für Hagar setzen sich die Bruchstücke des Lebens wieder zu einem Ganzen zusammen. Die Kanten sind erkennbar, aber was sie vor Augen hat, macht wieder Sinn. Und darin erkennt sie auch Gott und hält das in einem Bekenntnis fest: Du bist ein Gott, der mich sieht.
Wie machen wir uns auf ins neue Jahr? Wir haben 2022 erlebt, wie Gewissheiten regelrecht durchgeschüttelt wurden. Der Krieg in der Ukraine hat durcheinandergebracht, was vorher selbstverständlich in Stein gemeißelt schien. Wir sehen die Menschen, deren Existenz in Bruchstücken vor ihnen liegt, sei es durch Kriege, durch Hunger oder Flucht vor unerträglichen Lebensumständen. Alle diese Dinge reißen auseinander, was sinnvoll ist. Sie trennen, so dass jeder Mensch nur noch sich selbst sieht, so dass die Nationen sich zurückziehen und nicht mehr zusammenarbeiten, dass der Mensch sich noch weiter von der Schöpfung entfremdet. Dann besteht die Welt nur noch aus einzelnen Buchstaben. Wir sehen, wie viele auch in unserem Land in Not geraten oder Angst haben vor dem, was noch auf sie zukommt. Als einzelne Menschen haben wir nicht die Kraft, die Welt wieder zu ordnen. Aber manchmal können wir Wasserquelle in der Wüste sein, notwendige Hilfe und Rast. So dass der Engel Gottes eine Chance hat, einzugreifen, zu sehen, was wir selber (nicht mehr) sehen können und zu ordnen.
Wie mache ich mich auf ins neue Jahr? Ich wünsche Ihnen, dass sie genug Raststätten finden. Dass sie unterwegs guten Menschen begegnen. Dass sie Zeit für die Dinge haben, die wirklich wichtig für Sie sind. Dass Sie ordnen können, was nötig ist. Und dass sie dort die Erfahrung mit einem Gott machen, der Sie sieht.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein behütetes Jahr 2023 wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Hecker
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Vitalität unseres ökologischen Fahrradständers im Hof des Ebersbacher Kantorats veranlasst mich zu ein paar hoffnungsvollen Gedanken. Das eigentliche Leben begann für den oben Genannten nach Auskunft der Jahresringe etwa in den 1880-er Jahren. Zusammen mit ihrer Schwester bildet die Linde an der kleinen Spreebrücke noch immer das grüne Eingangsportal ins Grundstück. „Lediglich“ um die oberen je 20 Meter wurden beide Bäume aus statischen Gründen vor drei Jahren eingekürzt, da wegen Rissen im Stamm die Gefahr von Windbruch bestand. Das zum Fahrradständer umgenutzte Stammstück zehrt jedoch noch von der ihm innewohnenden Lebenskraft. Der Seitenaustrieb brachte im Sommer sogar einige Blüten hervor – welch ein Hoffnungszeichen!
Mir kamen einige Parallelen mit den Ereignissen der vergangenen drei Jahre in den Sinn. Haben wir nicht ähnliches erlebt? In der Familie, im Beruf, im Ort, in der Welt, in den Kirchgemeinden? Zeigen sich nicht auch hier Risse, weil die Vitalität angekratzt ist? Sind wir nicht ob mancher latenter Wunde angreifbar, wenn der Sturm absehbarer und überraschender Ereignisse uns durchschüttelt? Sind wir nicht auch hier und da „eingestutzt“ – an der Gesundheit, bei beruflichen Ab- und Umbrüchen, bezüglich unserer Lebensfreude, hinsichtlich der Anzahl an Mitstreitern in den Gemeinden? Nicht wenige werden ähnliche Erfahrungen aus eigenem Erleben oder in der Bekanntschaft haben. Manches ist zweifellos zu beklagen.
Und doch – unser grüner Fahrradständer verbreitet Hoffnung. Er zehrt vom Lebenshauch Gottes. Auch wir schöpfen seit Anbeginn aus dieser Quelle: Gott der Herr blies dem Menschen den Odem des Lebens in seine Nase. Dieser wirkt auch 2022 bei uns: Nach zweieinhalb Jahren ohne Chor-Orchester-Konzert haben sich Ausführende und Zuhörer im Mai von Herzen über die Aufführung von Haydns Schöpfung in der Ebersbacher Kirche gefreut. Nur ein Beispiel von Freude, die am Ziel vieler Hoffnungen steht. Zuvor aber, am Beginn, steht stets das gedankliche Gestalt-Werden des Noch-Nicht-Greifbaren, das Vorbereiten, das geduldige Ausharren und Beharren. Zugegeben – unsere Kraft dafür und der Elan sind nicht immer so reichlich, wie wir es bräuchten. Und trotzdem oder gerade deswegen ist das Pflegen der Zuversicht so wichtig. Miteinander. Und besonders gegenüber Gottes Plänen und Handeln an uns und mit uns.
Psalm 33 schließt mit den Worten: „Deine Güte, Herr, sei über uns, wie wir auf dich hoffen.“ Zwar ist Gottes Zuwendung nicht käuflich. Trotzdem verstehe ich den Satz etwas präzisiert so: „Deine Güte, Herr, sei über uns in dem Maße, wie wir auf dich hoffen.“ Auch wenn unser Wohlergehen ein Geschenk Gottes ist, kann doch seine Güte an uns in besonderem Maße erst wirksam werden, wenn wir die Bedingungen für seine Gnade – nämlich die Pflege der Gottes- und Nächstenliebe – erfüllen. Das Hoffen auf Gottes Wirksamwerden ist gleichsam eine Übung, bei der ich mein Empfinden für Gottes Rat schärfe. Sein Leiten wird mich – nicht immer wie erwartet und mitunter unbequem – auf einem Weg führen, der für meine Entwicklung gut ist. Manchmal erkennen wir das erst im Rückblick.
Hoffnung beflügelt die Menschen schon immer. Wie sonst hätten sie sich trotz aller Abgründe stets wieder emporgerungen? In Psalm 22, 5 heißt es: „Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.“ Wie segensreich war es für die Menschheit stets, wenn sie den Verheißungen Gottes glaubten: Noah vertraute auf ein Leben nach der Sintflut, die Israeliten hofften auf das verheißene Land, die vorchristliche Zeit war geprägt von der Erwartung des ersehnten Messias.
Wie in der Geschichte, ist es auch an uns, vor dem Hintergrund der offensichtlichen Begrenztheit unserer irdischen Lösungsansätze und wegen ihrer Anfälligkeit für Irrtümer, um den göttlichen Beistand zu bitten. Nur mit Hilfe seiner Erleuchtung können wir echte Lösungswege für die vielfältigen aktuellen Nöte finden. Arbeiten wir daran am besten als GmbH – als Gemeinschaft mit begründeter Hoffnung.
So wie Gottes Schöpferkraft in dem Lindenstück nach drei Jahren noch wirkt, wird seine Hilfe in dem Maße mit uns sein, wie wir auf ihn hoffen. Tun wir’s reichlich!
Kantor Amadeus Egermann
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
ein backsteinener Torbogen, Eintritt zu einem grünenden Kirchhof, in der Nachmittagssonne eines Sommernachmittags gelegen.
„Kommt in sein Tor mit dankbarem Herzen, kommt in den Vorhof mit Lobgesang“. Ein Lied in der andächtigen Stille dieses Bildes, die Ruhe eines dankbaren Herzens angesichts der verwunschenen Schönheit dieses Ortes.
Vielleicht hatten Sie das Glück, im Urlaub auch an einem solchen Platz vorbei gekommen zu sein, an dem vor allem Natur war, das Singen der Vögel und ansonsten eine Ruhe, wie man sie im Alltag selten findet. Vielleicht haben Sie sich Gott nahe gefühlt oder waren einfach nur dankbar für diesen Moment.
Noch ist voller Sommer, aber gleich haben wir wieder September, für uns die Zeit der Erntedankfeste. Dankbarkeit ist das große Stichwort dieses Festes. Und die Frage alljährlich ist: Wofür sind wir dankbar? Sind wir tatsächlich dankbar für die Gaben, die manche Menschen in die Kirche bringen für unsere Erntedankaltäre: Obst und Gemüse, Nudeln und Marmelade, Saft und Schokolade. Dankbarkeit hat viel mit Wertschätzung zu tun. Schätzen wir es wert, dass wir ausreichend zu Essen haben – denn das ist es ja, was die Erntedankgaben in den Kirchen ausdrücken sollen: Wir danken Gott, dass er Frühling und Sommer hat werden lassen, ausreichend Regen und Sonnenschein gegeben hat und alles Mögliche in Gärten und auf Feldern wachsen konnte, das wir nun, im Herbst und im Winter, essen können.
Es ist gut, dass wir dieses Fest haben. Es ist wichtig. Einmal im Jahr machen wir uns bewusst, dass wir es – bisher - nicht in der Hand haben, ob etwas wird und wächst oder nicht. Einmal im Jahr sind wir Gott bewusst dankbar, dass er seinen Segen gibt, damit wir das haben, was wir zum Leben brauchen. Und dazu zählt soviel mehr als etwas zu Essen, soviel mehr, als wir auf unsere Altäre in sichtbaren Zeichen legen können.
Ich bin in diesem Jahr dankbar für all die Erlebnisse der letzten Wochen und Monate: die festliche, fröhliche Glockenweihe in Ebersbach, die Konfirüste in Wittenberg, die ohne große Zwischenfälle verlaufen ist, für schöne Konzerte und gelungene Gottesdienste in den verschiedenen Orten unseres Kirchspiels. Für das gemeindliche Leben, das ich erleben darf. Für die Kreativität und das gute Miteinander unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Für die Motivation, die viele Menschen in unseren Kirchgemeinden an den Tag legen. Ich bin dankbar für die Hoffnung, die wir haben dürfen, für Gebete und Gemeinschaft.
Es fällt mir nicht immer leicht, dankbar zu sein, obwohl es das gesündeste wäre, so oft es einem einfällt, dankbar zu sein. Denn Dankbarkeit ist „die Superheldin der Emotionen“ schrieb neulich das dm-Magazin und zitierte niemand geringeren als Dietrich Bonhoeffer. Dankbarkeit stärkt die Gesundheit, die Seele und die Psyche. Dankbarkeit macht mich und andere Menschen glücklich und zufrieden und dient dadurch als „Kitt für die Gesellschaft“.
„Eine der Hauptaufgabe der Dankbarkeit besteht darin, uns an die Grundtatsache des Daseins zu erinnern: dass wir in allen Aspekten unseres Lebens auch auf andere und auf äußere Umstände angewiesen sind, auf die wir keinen Einfluss haben. […] Aber wir können etwas daraus machen. Indem wir erkennen, dass uns viel Gutes einfach so widerfährt, ohne dass wir es uns verdienen oder uns dafür qualifizieren müssten. Zu sehen, was schon da ist, worüber wir uns freuen können, hilft wertzuschätzen, was uns oft viel zu selbstverständlich ist“, schreibt das Magazin.
Für uns Christen widerfährt nichts „einfach so“. Am Erntedankfest denken wir daran, dass unsere Dankbarkeit einen Adressaten hat. „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.“
Selbst im Danken dürfen wir also noch Gottes heilsames Wirken erfahren. In diesem Sinne: Uns allen noch andächtige Sommermomente und gesegnete Erntedankfeste!
Ihre Pfarrerin Friederike Hecker
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Halbzeit – wie klingt das für Sie? Wenn Sie Fußball spielen, bedeutet es vielleicht: Kabinengespräch und Auswertung der ersten Spielzeit. Je nachdem, wie das Spiel jetzt steht, kann das Lob bedeuten – nicht nur für das wirklich erkämpfte Tor, sondern für passgenaues Zuspiel, für wirkungsvolle Verteidigung, für ernstgenommene Chancen… Oder es bedeutet Kritik – für verpasste Gelegenheiten, für nutzlose Alleingänge… Halbzeit: das ist die Möglichkeit, sich für 15 Minuten zu erholen und neue Kräfte zu sammeln, die Gelegenheit zum Auswerten und die Möglichkeit zur Korrektur. Hier wird noch mal Mut gemacht und motiviert. Und dann: Anpfiff – zurück auf den Platz, durchstarten und im besten Fall nach weiteren 45 Minuten als Sieger (oder wenigstens mit Gleichstand) vom Platz gehen.
Halbzeit für 2022 – wollen wir uns Zeit nehmen für ein Kabinengespräch? Unglaublich, dass die ersten sechs Monate schon wieder vorbei sind. Ob wir erfolgreich waren? Zumindest ist viel passiert in den Gemeinden: Konfirmationen, Bauabschlussfeste in Dürrhennersdorf und Oppach, wir haben Weltgebetstag gefeiert und den Hoffnungsweg, es gab Konzerte und neue Glocken, das Rogate-Treffen und und und… Und es gibt die Friedensgebete, die ukrainischen Bewohner in unseren Häusern, die gestiegenen Preise für Heizung und Sprit, die Unsicherheit über die Entwicklung der Inzidenzen im Herbst… Haben wir die ersten 180 Tage gut genutzt? Geschenkte Zeit, geschenkte Kraft, geschenkter Frieden. Geschenktes Vertrauen, geschenkte Fürsorge, geschenkte Hoffnung, geschenkte Liebe. Wie sind wir damit umgegangen? Gedanken für ein Kabinengespräch mit dem Coach.
Halbzeit 2022 – das bedeutet: in weniger als sechs Monaten feiern wir Weihnachten. Gott sei Dank, Gott ist in diese Welt gekommen! Das ist auf jeden Fall ein schöner Ausblick, ein gutes Ende, ein zugleich mutmachendes und tröstliches Ziel.
Halbzeit 2022 – am 24. Juni gibt uns Johannes der Täufer mit seinen Beispielen und vor allem mit seinem Leben Anstöße zum Überprüfen unseres Lebens. Ja sicher: Er selber war das, was man heute als Extremist einordnet. Auf seine Art zu leben, das wünschen wir uns für unsere Kinder eher nicht… Viele seiner Gedanken aber stecken voller Fairness. „Wer zwei Mäntel hat soll (nur) einen weitergeben an den, der gar keinen hat.“ Er bedenkt die verschiedensten Lebensentwürfe: Priester, Zöllner, Soldaten, und nimmt sie alle ernst. Von anderen fordert er keine Höchstleistungen. Was er möchte, passt in einen Satz: „Bereitet dem HERRN den Weg.“
Halbzeit 2022 – Gelegenheit zum Mutmachen, zum Korrigieren, zum Kräfte sammeln; zum Danken für das, was erreicht wurde oder (zum Glück) nicht passiert ist; zum Staunen über Gottes Gegenwart auch da, wo wir nicht damit gerechnet haben. Und dann: Neustart, auf in die zweite Halbzeit, neu ausgerichtet mit der Motivation von Johannes: „Bereitet dem HERRN den Weg.“ Passgenaues Zuspiel, wirkungsvolle Verteidigung, ernstgenommene Chancen – das gibt es nicht nur beim Fußball. Wäre doch toll, wenn die zweite Halbzeit 2022 bei uns auch so „gespielt“ würde – oder was meinen Sie?
Ihre Annegret Firl
Liebe Leserinnen und Leser!
Es ist Anfang März. Die Sonne scheint schon fast frühlingshaft heute. Aber die Sonne und Stimmung im Innern – das passt nicht zusammen. Vor wenigen Tagen hat in Europa ein Krieg begonnen. Noch immer herrscht Fassungslosigkeit. Jeder Tag bringt neue Nachrichten, neue Bilder, neue Spekulationen, wie es weitergehen wird – neues Erschrecken.
Der Blick in den Kalender sagt: In sieben Wochen wird Ostern sein!
Aber das ist heute ganz unvorstellbar weit weg. Heute – das ist Angst, Ohnmacht, Lähmung.
Meine Gedanken gehen zurück. Zurück ins Jahr 2014. Es ist ebenfalls März, Passionszeit.
In der Rumburger Kirche wird (in Anlehnung an einen Text des Kemnitzer Pfarrers Thomas Markert) das Passionsspiel „Warum“ aufgeführt – die Geschichte von Jesu Leidensweg verwoben mit Leidensgeschichten unserer Zeit.
In einer der kleinen, nur angedeuteten Geschichten geht es um Natalia, die bei einer Demonstration auf dem Maidan in Kiew von einer tödlichen Kugel getroffen wird. Ungeplant und für alle überraschend springt mitten in der Aufführung ein Ukrainer im Publikum auf und ruft laut durch die Kirche „Es lebe die Ukraine!“.
Die Spieler verharren mitten im Spiel. Für einen Moment herrscht Stille.
Erst nach einigen Sekunden geht die Aufführung weiter. Und – dieser Eindruck ist noch heute präsent – sie geht irgendwie anders weiter. Der Text ist derselbe wie in den Proben. Aber da ist nun eine andere Intensität. Das, was da gespielt wird, hat sich mit dem wirklichen Leben verbunden. Das, was wir nur aus Fernsehberichten kannten, ist plötzlich ganz nah. Und auch als dann die Spieler in die Rolle von Jesu Freunden schlüpfen und erzählen, wie sie die letzten Tage mit ihm erlebt haben, schwingt mit: Auch das ist keine ferne Geschichte mehr, sondern das hat mit uns zu tun.
Eine der letzten Szenen des Stückes spielte unter dem Kreuz. Da war bei den Freunden Jesu all das mit Händen zu greifen, was mich auch heute bewegt: Fassungslosigkeit, Trauer, Angst, Ohnmacht ...
Ostern war noch nicht in Sicht.
Und dennoch schien Hoffnung auf!
Ganz vorsichtig, zögerlich, tastend.
Nicht die Hoffnung, dass alles Leid nun überwunden und vorbei ist.
Aber die Hoffnung, dass Jesu Tod nicht umsonst war, dass aus ihm heraus etwas Neues erwächst. Die Hoffnung, dass Gottes Liebe die Kraft hat, Herzen anzurühren und zu verwandeln – und dass sich diese Liebe auch durch den Tod nicht bezwingen lässt.
Heute, im März 2022, erlebe ich mich dabei, wie ich die täglichen Nachrichten abklopfe nach jedem noch so kleinen Hoffnungszeichen. Sind es die Nachrichten über weitere Sanktionen, über einen zurückeroberten Flughafen oder über Panzer, die ohne Treibstoff liegenbleiben, die die Hoffnung nähren? Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges und der Gewalt.
Und was, wenn diese Hoffnung zerbricht?
Ich denke zurück an die Anhänger Jesu unter dem Kreuz, die die Hoffnung begraben mussten, dass Jesus dem Tod entgeht, dass all das Leid nur ein böser Traum ist – und die dennoch erfahren durften: Das ist nicht das Ende. Unsere letzte und tiefste Hoffnung bleibt auch im Schatten des Todes lebendig.
Wo ist Hoffnung, Hoffnung trotz Angst und Leid und Tod?
Ich finde sie da, wo ich staunend entdecke: Da sind Menschen, denen Gerechtigkeit, Freiheit, Wahrheit, wichtiger sind als das eigene Wohl, die eigene Sicherheit, ja das eigene Überleben; da sind Menschen, die sich dem Hass und dem Misstrauen widersetzen, die nicht gleichgültig bleiben, Herzen und Türen öffnen, zusammenrücken, miteinander teilen und zugleich merken, wie ihnen daraus Kraft zuwächst.
Ich schaue mich um und entdecke: All das geschieht! Der Angst und dem Leid und dem Tod zum Trotz.
Und langsam, zögerlich, aber stetig bricht sich in mir die Hoffnung von Ostern Bahn: Aus Tod kann Leben werden. Die Liebe ist nicht totzukriegen.
Ihre Constance Šimonovská
Liebe Leserinnen und Leser!
Granatäpfel sind faszinierende Früchte. Sie gehörten zur Zierde des Priestergewandes und des Tempels im alten Israel.
Wussten Sie, dass die „Zwiebeln“ im „Zwiebelmuster“ des berühmten blau-weißen Porzellans in Wahrheit gar keine Zwiebeln, sondern Granatäpfel sind? Und dass der Orangensaft von „Punica“ gar keinen Granatapfelsaft enthält, obwohl sein Name von der lateinischen Bezeichnung des Granatapfelbaumes „punica granatum“ abgeleitet ist?
Die vielen Körner in der Frucht symbolisieren Wohlstand und Fruchtbarkeit. Ihre Vielzahl soll sich im Kinderreich-tum verwirklichen und damit dem Volk die Zukunft sichern. Zum jüdischen Neujahrsfest verspeist man einen Granatapfel und nimmt damit den Vorsatz auf sich, so viele guten Taten zu tun, wie die Frucht Körner hat. Zugleich wünscht man sich aber auch ebenso viele schöne Momente.
Der Granatapfel wird als die verbotene Frucht im Paradiesgarten angesehen, auf die die Schlange Evas Aufmerksamkeit lenkte. Eva und Adam aßen davon und widersetzten sich damit der Anordnung Gottes. Fortan mussten sie erfahren, was gut und böse ist. Das Gute kannten sie bereits, aber nun war dem Bösen die Tür geöffnet und es konnte überall mitmischen. Zu jedem Vorteil gesellte sich ein Nachteil; die Freude über die Geburt eines Kindes begleiteten Schmerzen für Mutter und Kind; zur Arbeit kamen Mühe, Berufskrankheit und Arbeitsunfälle hinzu. Ganz zu schweigen von dem Bösen in Form von Verbrechen und Gewalt.
Der perfekte Granatapfel soll genau 613 Körner besitzen. Warum? Weil es so viele Weisungen Gottes in den fünf Büchern Mose (Thora) gibt. Damit schenkte Gott eine Hilfe, Gut und Böse zu unterscheiden und sich für das Gute zu entscheiden – z. B.: Es ist gut, am siebenten Tag zu ruhen und Gott die Ehre zu geben – es ist schädlich, dies nicht zu tun.
Nun, ich staune, dass auch das „Neue Testament“ einem Granatapfel gleicht, der eine Vielzahl von göttlichen Handlungsanweisungen enthält, z. B. „Bittet, so wird euch gegeben …“ (Matth. 7,7) oder „Seid dankbar in allen Dingen …“ (1. Thess. 5, 18). Ohne klare Weisungen kriegen wir unser Leben nicht hin. Wir danken Gott, dass er uns ansagt, wie wir leben sollen.
Natürlich ist es viel einfacher, eine Banane zu schälen und zu essen als einen Granatapfel zu öffnen und die Körner herauszupulen – Vorsicht übrigens: Granatapfelsaft macht hartnäckige Flecke auf der Kleidung! Tja, aber dennoch ist der Anblick eines leuchtend roten Granatapfels viel anziehender als der einer fleckigen Banane. Das bedeutet: Gottes Weisungen sind so kernig, so gesund, so zahlreich wie das Innenleben eines Granatapfels. Allerdings nicht einfach mit einem Biss nebenbei zu haben. Man muss sich schon mühen, um an den Inhalt zu kommen.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Bibel genießen wie einen Granatapfel, Kern für Kern zu sich nehmen, kauen, sich mit anderen über den Geschmack unterhalten und in Ihrem Leben zur Tat werden lassen. Dazu wollen die Gottesdienste und Gemeindekreise helfen. Nutzen Sie das, was zurzeit angeboten werden kann – und das ist trotz allen (Corona)Hindernissen insgesamt zahlreich wie die Körner der besagten Frucht.
Herzliche Segensgrüße aus Lawalde!
Pfarrerin Karin Baudach
Andacht zur Jahreslosung 2022
Willkommen!
Was für ein schönes Wort! Es klingt so rund und einladend. Was für ein schweres Wort – in dieser Zeit! Da sagt einer: Ich will kommen! Zu euch, in euer schönes Land, mit funktionierendem Rechtssystem, mit sauberen Straßen, Sozialleistungen, Kindergärten. Aber uns bleibt die Antwort im Halse stecken. Angesichts überfüllter Zeltlager, Überlastung von Helfern, fehlender Strukturen. Und dann fangen wir an zu diskutieren: Über richtige Gründe, kommen zu wollen. Und falsche. Wie viel Zurücksetzung, wie viel Mangel ist einem Menschen zuzumuten, bevor er willkommen ist? Wie viel Anderssein ist uns zuzumuten, bevor wir aufgeben und die Tür verschließen dürfen? Wie wenig darf einer haben? Wie viel müssen wir abgeben? Es wäre müßig, an dieser Stelle auf die unzähligen Hinweise der Bibel einzugehen, die uns die Aufnahme des Fremden gebieten. Und es würde unsere Ängste nicht beheben. Stattdessen möchte ich an ein Willkommen erinnern, auf das wir alle unverdient angewiesen sind:
Jesus Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Johannes 6,37
Ihre Pfarrerin Maximiliane Rehm
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wohl immer, wenn sich die warmen Herbsttage endgültig verabschiedet haben und absehbar ist, dass sich nun auch die herrliche Muße freier Urlaubstage und Ferien dem Ende zuneigt, dann kann uns zuweilen schon wehmütig ums Herz werden. Besonders mag uns solche Wehmut nach den bedrückenden Erfahrungen der langen und finsteren Monate einholen, in denen uns diese elende Seuche in solch nie gekannter Unerbittlichkeit im Griff hatte. Unvergessen ist noch immer, wie schier unendlich lange unser Sehnen dem Licht am Ende des Tunnels, nach Nähe, nach herzlicher Umarmung und selbstverständlichem Miteinander unerfüllt bleiben musste. Wie gut hat uns gerade auf diesem Hintergrund all das Lichte in den langen Sonnenstunden, alle Wärme und Gelassenheit der Sommerzeit getan. Wie unendlich gern haben wir uns nach dieser Fülle des Lebens ausgestreckt und sie miteinander genossen.
Es ist nur allzu natürlich, dass unsere Seele nur ungern aufgeben will, was ihr doch so gut tut. Es fällt immer wieder schwer hinzunehmen, dass sich eben gerade das nicht festhalten lässt, was wir als Balsam für unsere Seele erleben. Wir müssen uns damit abfinden, dass sich all das Himmlische gerade wegen seiner Einzigartigkeit ereignen kann.
Wovon wir allerdings noch lange zehren dürfen, das sind all unsere himmlischen Erinnerungen. Möglicherweise liegt auch darin begründet, dass wir uns so gern Erinnerungsstücke von unseren Reisen mitbringen. So gern wollen wir etwas Handfestes behalten. Etwas, von dem wir uns erhoffen, dass wir es hinüberretten können in unseren Alltag. Etwas, was die Kraft hat, in uns die Lebensfreude, diesen Seelenbalsam, wach zu halten.
Was wohl werden Sie mit hinübernehmen aus diesen Sommermonaten? Die Erinnerung an all die herrlichen Farben da draußen oder den Geruch und die Töne lauer Sommerabende nach einem Tag praller Sonne?
Der Monatsspruch im Oktober hat für uns zu all dem noch einen wohlmeinenden Rat parat: „Lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken.“
Ja, mögen wir uns und einander in diesen Zeiten nicht vergessen. Aus gutem Grund legt uns der Hebräerbrief diese Lebensweisheit mit besonderem Nachdruck ans Herz. Auch wenn der Alltag uns wieder hat und uns zudem die Belastungen der Pandemie möglicherweise wieder mehr und mehr zusetzen, auch und besonders dann soll keinem unter uns die Lebensfreude gänzlich abhandenkommen.
Erinnerungen können uns dabei wie heilsamer Sand im Alltagsgetriebe zum Seelenheil werden. Schöne Erinnerungen, wunderbare Begegnungen und erfüllende Beziehungen; all das Bereichernde will eine willkommene Einladung sein, uns selbst nicht zu verlieren. Mag dieses darüber hinaus uns Kraft genug schenken, dass wir nicht aufhören, uns auf den zu besinnen, der uns voller Zuversicht im Leben halten will. Und an dem wir uns immer und ewig festhalten dürfen.
Dass Sie sich behütet und gehalten wissen, egal wie Ihnen das Leben entgegenkommen mag, das wünscht Ihnen
Pfarrerin Sigrun Zemmrich
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Urlaubszeit. Wie schön ist es, den eigenen Horizont zu erweitern! Sei es auf einer aussichtsreichen Erhebung im Gebirge oder am Meer. Sei es, um andere Kulturen und Menschen kennenzulernen oder um jenseits des bekannten Gesichtskreises Kraft zu schöpfen für meine Aufgaben in Familie und Beruf.
Die Zeit des „Freigelassenseins“ ist oft mit schönen Erlebnissen verbunden. Davon erzählen Bilder, das Urlaubstagebuch oder Kartengrüße an Bekannte, Verwandte und die, die gerade nicht verreisen können. Mancher bringt sich ein Glas voller Muscheln vom Strand mit oder hat, wie ich, einen kleinen Karton mit Steinen verschiedener Herkunft. Keine bedeutenden Stücke, aber hier und da mit Erinnerungen verknüpft. Darunter als Exot auch eine grüne Glasscherbe von meinem ersten Ostseeaufenthalt: eine Kindererholungszeit 1984 kurz vor Schuleintritt.
Szenenwechsel: Der 1. August steht in der Herrnhuter Losung unter einem Wort aus dem 5. Buch Mose 6 5: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ Ganz schön anspruchsvoll! Bin ich kleiner Mensch überhaupt in der Lage ansatzweise zu ermessen, was das heißt?
In einer Bibelwoche habe ich gelernt, dass die Übertragung des hebräischen Urtexts hier genauer heißen müsste: „Du wirst den Herrn, deinen Gott, lieb haben …“ – Wirst du wohl! Oder muss ich erst …? – Das klingt aber wenig einladend. Und ist auch nicht so gemeint. – Vielmehr: Sieh doch mal, wie reich uns Gott beschenkt! Macht so etwas nicht nur jemand, der es gut mit uns meint?! – Wenn wir beginnen, das zu erahnen oder begreifen, reift auch der Gedanke in uns: „Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt!“ (1. Joh. 4 19)
Wie stellen wir das aber an oder was brauchen wir dazu? Sehen wir uns doch nochmal die Glasscherbe etwas genauer an. Na, so ‘ne echte Scherbe ist es gar nicht (mehr). Freundliche gerundete Seiten, kein garstiger „In-den-Fuß-Schneider“, wenn ich barfuß am Strand spazieren gehe. Sicher wurde sie vor meinem Fund schon Monate, vielleicht Jahre, von der Kraft des Wassers zwischen Sand und Steinen hin und her gewalkt und hat Ecken und Kanten eingebüßt. Ich nehme sie gern in die Hand, denn sie hat ihre hässlichen, unnahbaren Eigenschaften abgelegt, erzählt von einem bewegten Dasein, hat an Lieblichkeit gewonnen, ohne gänzlich den Charakter verloren zu haben.
Vielleicht ist es das, was uns fähig macht zur Liebe gegenüber Gott und den Mitmenschen: ein eigener Sinn, aber kein Eigensinn, Toleranz und Nachsicht ohne ein eigenes wertvolles Profil aufzugeben. Und nicht zuletzt: Dankbarkeit und Demut. Wie eine offene Landschaft den Weitblick im Urlaub ermöglicht, fördern Dankbarkeit und Demut einen weiten Horizont in unseren Herzen, denn so bleiben wir nicht bei uns stehen. Vielmehr können wir Gottes Schöpfung staunend und unsere Mitmenschen liebevoll in den Blick nehmen.
Die daraus erwachsende Gemeinschaft muss uns außerdem befähigen, Rat und Hilfe für die Nöte unserer Zeit an höchster Stelle zu erbitten. Auch hier kommen wir als Menge herkömmlicher Scherben nicht vorwärts. Gottes Hilfe zu erbitten, setzt Demut voraus. Jeder für sich und mit gespreiztem Wesen: keine Chance! Klimawandel, Wetterkapriolen, Artensterben, Krankheiten, menschliche Entzweiungen im Kleinen und Großen – für all das stellen wir zwar Überlegungen zur Linderung an. Trotzdem werden wir – zu unserem Heil – nicht daran vorbeikommen, mit Gottes Hilfe zu rechnen und sie in Anspruch zu nehmen, wenn wir die Schwierigkeiten wirklich überwinden wollen.
Der Lehrtext der Herrnhuter Losung zum 1. September macht uns aufmerksam: „Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er’s euch geben.“ (Joh. 16 23)
Lassen wir dieses Angebot nicht brach liegen, sondern Gott unsere Herzensanliegen vertrauensvoll vortragen. Wenn sich sein liebendes „Ja“ und unsere freundliche Antwort verbinden, werden sich ungeahnte Türen und Wege eröffnen.
Scherben bringen Glück. Vorzugsweise aber solche mit weichen „Gesichtszügen“. Und wenn wir sie mit Gottes Hilfe wieder zu einem Ganzen zusammenfügen, denn „es ist nicht auszudenken, was Gott aus den Bruchstücken unseres Lebens machen kann, wenn wir sie ihm ganz überlassen.“ (Blaise Pascal)
Offene Augen für Ihren nächsten schönen Fund im Urlaub oder Alltag wünscht Ihnen
Kantor Amadeus Egermann
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
„man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“
heißt es in der Apostelgeschichte. Der Vers ist uns als Monatsspruch für den Juni dieses Jahres gegeben.
„Gehorsam“, das ist ein Wort, dass bei vielen Menschen heute Widerstand hervorruft. Da ist viel vom „vorauseilenden Gehorsam“ die Rede, von bedingungslosem, blindem Gehorsam. Und schon die Erklärung des Dudens zum Begriff Gehorsam als „Unterordnung unter den Willen einer Autorität“ erzeugt Abwehrhaltung. In unserer Gesellschaft gibt es im Moment große Sympathien für den „zivilen Ungehorsam“. Aber Kinder, die nicht gehorchen, sind wiederum ein Graus für jeden, der sie hüten muss.
Und nun steht dort fettgedruckt in der Bibel: „man muss Gott mehr GEHORCHEN als den Menschen“.
Wenn man einen Schritt zurück geht und das Wort einmal unabhängig vom derzeitigen Geschehen betrachtet, sieht man, dass das Wort in seiner Grundbedeutung etwas mit „hören“ zu tun hat. Gehorchen, das bedeutet zunächst erst einmal: hören, auf jemanden hören und dem Gehörten dann folgen.
Das griechische Wort, das in Apg 5,29 geschrieben steht, setzt sich allerdings aus zwei Wurzeln zusammen, deren Bedeutungen das „gehorchen“ noch in eine andere Richtung lenken. Der Anfang des Wortes meint so viel wie: sich überreden / überzeugen lassen, sich von jemandem bestimmen lassen, sich verlassen auf, vertrauen auf, seine Zuversicht setzen auf. Der zweite Wortteil hat die Bedeutung: Herrschaft, Machtbereich. Zusammengesetzt bedeutet das Wort also in etwa: Sich unter dem Herrschaftsbereich von … befinden; vertrauen auf die Macht von...
Dann heißt der Vers z.B.: „Man sollte der Macht Gottes mehr vertrauen als den Menschen“.
Als Petrus und die anderen Apostel diesen Satz sagen, stehen sie vor der obersten religiösen Behörde des Judentums, die die Jünger mit einem Lehr- und Predigtverbot belegt hat. Es ist übrigens eine ähnliche Situation wie die Martin Luthers auf dem Reichstag in Worms, der dieser Tage vor 500 Jahren stattfand.
Für die Jünger bedeutet ihre Aussage: Wir gehören zu und vertrauen dem, der Gottes Liebe und Gnade in Person ist; Jesus Christus. Und wir können nicht anders, als davon zu reden, weil diese Worte Worte des Lebens sind, die allen Menschen gelten und alle sollen davon hören. Mit diesem Bekenntnis der Jünger ist auch gesagt, was „Gehorsam“ gegenüber Gott bedeutet: Aus Überzeugung zu dem zu gehören, der keinen Menschen verloren gibt. Dem zu vertrauen, der andere Maßstäbe an Menschen anlegte, als es der Norm seiner Zeit entsprach. Von dem getragen zu sein, der Menschen zu einem neuen Leben befreit, in dem sie sich angenommen und geliebt wissen. Und sich deshalb selbst befreit zu fühlen aus der Gefangenschaft von Eigenliebe und Engherzigkeit und sich leiten zu lassen hin zu Rücksichtnahme auf andere und Barmherzigkeit.
Aber bei dem Vertrauen und der Freiheit, zu der uns Gott in Jesus Christus befreit, geht es nicht um Narrenfreiheit oder gar Anarchie. Auch in dieser Freiheit trage ich Verantwortung. Denn auch als Christin bin ich Teil der Gesellschaft, lebe ich mit anderen Menschen in Gemeinschaft. Und die funktioniert nur, wenn wir auch aufeinander hören, uns zuhören, uns Gehör schenken und das Gehörte befolgen. Dass das nicht außer Kraft gesetzt wird, sagt uns das kleine Wort „mehr“.
Wir sind von Gott in diese Welt gestellt – und das ist gut und wichtig. Denn so können wir in dieser Welt davon reden, was uns trägt, stärkt und ermutigt: Gott hat Worte des Lebens für uns. Und dieses Leben reicht weiter, als unser Dasein in dieser Welt. Diese Worte dürfen wir immer wieder hören und darauf vertrauen. Und deshalb ist es gut, Gott mehr zu gehorchen als Menschen. Amen.
Ich wünsche uns allen eine gesegnete, erholsame fröhlichere und entspanntere Sommerzeit.
Pfarrerin Friederike Hecker
Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
als Kind hatte ich in der Osterzeit ein kleines Ritual und das kam so: Nach dem Gottesdienst und dem Festessen wurden für meine Geschwister und mich Geschenke im Garten versteckt. Mein Vater konnte das gut, außerdem hatte er viele Möglichkeiten, der Pfarrgarten war riesig. Am schwersten waren manchmal die Geschenke zu finden, die ganz offen zu sehen waren, aber sich so in ein Ensemble einfügten, dass wir an einem bunten Osterei inmitten von Blumentöpfen vorbeirannten oder die Schokolade im Astloch nicht sahen. Wichtig war, die Anzahl der Geschenke im Kopf zu behalten, damit nichts im Garten zurückblieb. Oft ging ich ein paar Tage später durch den Garten in der Hoffnung, dass er noch ein paar Schätze hergibt. Gewissenhaft durchsuchte ich die einschlägigen Orte. Aber es war jedes Mal vergebens, mein Vater arbeitete zuverlässig. In einem Jahr spielte ich nach Ostern wieder mal im Garten, es gab dort eine kleine Lichtung, die von Sträuchern und Bäumen umgeben war. Dort sah ich plötzlich etwas golden glitzern. Und wirklich: Da stand ein dicker, fetter Osterhase im Gehölz. Keine Ahnung, wie wir den übersehen konnten.
Zum letzten Osterfest wurden in unserer Gemeinde kleine Kerzen verteilt. Viele freuten sich über das Licht. Es steht als Zeichen für das, was Ostern bedeutet: das Licht besiegt die Dunkelheit, das Leben besiegt den Tod. Deshalb sind Kerzen aus unserem Osterfest nicht wegzudenken. Doch die eigentliche Überraschung kam erst. Wenn die Kerzen fast heruntergebrannt waren, erschien auf dem Boden der Spruch: Christus ist auferstanden.
Das Johannesevangelium erzählt von Maria Magdalena. Sie geht am Ostermorgen zum Grab von Jesus. Sie weint, denn sie weiß genau: Jesus ist tot. Doch als sie sich in die Grabhöhle beugt, sieht sie seinen Leichnam nicht. Stattdessen sitzen dort zwei Leute in weißen Gewändern, Engel, wie sich herausstellt. Sie fragen sie nur: „Warum weinst du?“ Sie dreht sich um und Jesus steht vor ihr. Doch weil sie es nicht fassen kann, entscheidet ihr Kopf, dass es der Gärtner sein muss. Sie fragt ihn: „Wo hast du Jesus hingelegt?“ Doch Jesus spricht sie an und sagt: „Maria!“ Da erkennt sie ihn. Sie läuft zu den Jüngern und sagt: „Ich habe den Herrn gesehen.“
Ostern heißt: Da kommt noch etwas. Mit dem Tod und der Auferstehung von Jesus beginnt die Geschichte. Doch Ostern ist nicht vorbei. Die Hoffnung, die seit diesem Tag in der Welt ist, ist nicht totzukriegen. Gerade in dieser Zeit wird das leicht übersehen oder zugedeckt. Wir fragen uns: Wann wird Licht am Ende des Tunnels? Wann hören Angst und Trauer auf? Wann geht das Leben wieder seinen gewohnten Gang? Diese Fragen sind völlig verständlich, sie beschäftigen uns. Doch gerade deshalb brauchen wir Ostern, das unverhofft im Gebüsch aufblitzt, das im Licht einer Kerze sichtbar wird, das uns durch die Ostergeschichten weitergegeben wird. Dieses Licht leuchte uns allen, gerade wenn wir unterwegs sind durch den Tunnel. Es gebe uns Kraft und Zuversicht.
Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!
Pfarrer Benjamin Hecker
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die „Gebietserweiterung“ durch das neue Kirchspiel bringt neue Bekanntschaften mit sich.
Ich möchte Ihnen gerne jemanden vorstellen, der sich mir vorstellte – mit einer Andacht. Sicher kommt das eher selten vor, dass sich jemand mit einer Andacht vorstellt. Gerade deshalb möchte ich Ihnen diese Andacht eines besonderen Menschen gerne weitergeben: Rosalie Renner aus Lauba ist eine junge Frau um die 20, die vor kurzem Abitur gemacht hat – und an Spinaler Muskelatrophie leidet. Frau Renner betreibt trotz der Einschränkungen durch ihre Krankheit eine Website (https://rosalie-renner.jimdofree.com/), und geht auf diese Weise offenherzig mit der globalen Welt in Kontakt. Sie sagt, sie freut sich dort über digitalen Besuch. Da Frau Renner im Gegensatz zu fast allen Menschen ihrer Umgebung nicht stehen kann und daher nicht in unseren Gottesdiensten vorne stehen wird, endet hier die Vorrede. Ich übergebe das geschriebene Wort an Frau Renner, denn durch geschriebene Wörter und ein passend ausgesuchtes Bild drückt sie sich aus. Rosalie Renner aus Lauba schreibt:
„Liebe Leser des Nachrichtenblattes, In den letzten Wochen und Monaten ist viel geschehen, was wir nie für möglich gehalten hätten. Jeden Tag gibt es neue Regeln und Nachrichten rund um Corona. Das verwirrt uns und macht uns Angst. Doch leider können wir diesem Thema nirgends entkommen, weil es im Moment unser ganzes Leben bestimmt und wir nicht viel dagegen tun können. Das macht uns noch mehr Angst. Ständig gibt es negative Schlagzeilen, Einschränkungen, Unverständnis, … Ein normales Leben ist längst noch nicht in Sicht. Was und wie sollen wir da noch glauben?
So ein Gefühl der Hilflosigkeit erlebten auch die Jünger Jesu, als sie mit ihrem Boot in einen Sturm gerieten: „Da kam ein schwerer Sturm auf, sodass die Wellen ins Boot schlugen. Das Boot füllte sich schon mit Wasser, Jesus aber lag hinten im Boot auf dem Sitzkissen und schlief. Die Jünger weckten ihn und riefen: ‚Lehrer, kümmert es dich nicht, dass wir untergehen?‘ Jesus stand auf, sprach ein Machtwort zu dem Sturm und befahl dem tobenden See: ‚Schweig! Sei still!‘ Da legte sich der Wind und es wurde ganz still. ‚Warum habt ihr solche Angst?‘, fragte Jesus. ‚Habt ihr denn immer noch kein Vertrauen?‘“ (Markus 4,37-40; Gute Nachricht Bibel).
Jesus ist während des Sturmes ganz entspannt und glaubt selbstverständlich daran, dass Gott sie alle beschützt. Vermutlich würde er uns diese fast schon vorwurfsvolle Frage ebenfalls stellen: „Habt ihr denn immer noch kein Vertrauen?“ Immer wenn irgendetwas schiefläuft oder nicht so ist, wie wir es gewohnt sind, bricht Panik aus, wir vergessen Gott und sehen nur noch das Negative. Aber diese Angst bringt uns nicht weiter, sondern lässt uns an Gott zweifeln. Stattdessen sollten wir uns bewusst für Ruhe, Geduld und Hoffnung entscheiden. Gerade solche stürmischen Zeiten sind Gelegenheiten, starkes Vertrauen zu Gott aufzubauen oder zu erhalten. Beten wir und legen unsere Sorgen in Seine Hände. Werden wir auf unsere Art aktiv und verbreiten positive Energie. Lassen wir los, was wir nicht kontrollieren können, denn wir können nie tiefer fallen als in Gottes Hand.“
Pfarrer Stephan Rehm
Gestern war Pflanztag. Knapp 40 Sträucher und Stauden. Eine lange Reihe an Töpfen war es, die da zu Beginn auf dem Boden stand.
Was passt wohin? Wie wird es aussehen, wenn die Sträucher größer werden und die Stauden blühen? Ich bin gespannt und freue mich darauf.
Im Moment aber ist nach einem Tag pflanzen wenig Veränderung zu sehen. Verteilt auf dem Gelände wirken die Stauden und selbst die etwas größeren Sträucher verschwindend klein und unscheinbar. Und ich frage mich: Werden sie überhaupt zu sehen sein im Frühjahr? Was, wenn nun das Unkraut schneller in die Höhe wächst? Wenn man die Pflanzen übersieht beim Mähen oder Umgraben…?
Also werden Holzpflöcke eingeschlagen – als Markierung, als Zeichen, dass hier etwas wächst, das besondere Aufmerksamkeit verdient, das noch Schutz braucht und Pflege. Zeichen für das Neue.
Wir gehen auf Weihnachten zu. Wie wird das sein, wie wird das aussehen dieses Jahr? So vieles ist ungewiss. Die Pandemie hält uns in Atem. Wir müssen planen und vorbereiten und wissen doch nicht, was überhaupt möglich sein wird. Konzerte, Adventsfeiern, Krippenspielproben und vor allem die Gottesdienste am Heiligen Abend … – klar ist nur, dass nichts davon so sein wird wie gewohnt.
Wie können wir Weihnachten feiern, wenn so vieles nicht geht? Wie können wir spüren, dass es Weihnachten ist, wenn wir nicht in großer Zahl in unseren Kirchen zusammenkommen und gemeinsam „Stille Nacht“ singen können? Wenn vielleicht auch der Familienbesuch ausfallen muss dieses Jahr? Wenn manches fehlen wird, was für uns einfach dazugehört zu einem richtigen Weihnachtsfest?
Wir brauchen Zeichen – Weihnachtszeichen. „Weihnachtszeichen“ – für gewöhnlich ist die Advents- und Weihnachtszeit voll davon. Kerzen und Sterne, Glühweinduft, Lebkuchen und Stollen, Weihnachtsbäume und Weihnachtslieder … Die Reihe ließe sich noch lange fortsetzen. Wir sind umgeben von solchen Weihnachtszeichen und das wird dieses Jahr ganz sicher nicht anders sein. Und trotzdem scheint das nicht zu reichen. Wir befürchten: wenn etwas davon fehlt, dann wird es kein „richtiges“ Weihnachten, dann merken wir gar nicht, dass Weihnachten ist.
Ich habe wieder meine Pflanzen vor Augen: Ein paar einfache Holzpflöcke mussten genügen als Zeichen. Sie machen den Garten nicht schöner, aber darum geht es ja auch gar nicht. Wichtig ist allein, worauf sie hinweisen: da wächst etwas Neues – auch wenn ich das aus der Entfernung heraus, unter Schnee oder vor lauter Unkraut nicht sehen kann.
Damals vor 2000 Jahren war es ähnlich. Ein Kind in einer Krippe. Das hat Gott als Zeichen genügt. Nichts Außergewöhnliches, Aufwendiges, Großes. Und doch Zeichen der Hoffnung, Zeichen seiner Nähe und seiner Liebe zu uns Menschen.
Das macht mir Mut: Vielleicht brauchen ja auch wir gar nichts Großartiges und nicht das volle Weihnachtsprogramm. Im Gegenteil. Vielleicht lenkt uns ja die Fülle nur ab vom Eigentlichen. Vielleicht genügen ein paar einfache Zeichen. Zeichen der Liebe, Zeichen der Hoffnung, dass Gott Licht bringt in unsere Dunkelheit und uns nahe ist.
Ich wünsche uns, dass es uns gelingen möge, Zeichen zu setzen, die davon künden, und dass jeder von uns solche Zeichen auch für sich entdecken kann in diesen Tagen. Wer weiß: vielleicht wird uns ja die größere Ruhe, die das Fest dieses Jahr begleiten wird, bei der Suche nach den richtigen Weihnachtszeichen guttun. Halten Sie die Augen offen!
Ihre Pfarrerin Constance Šimonovská